Meditieren, dieses Rumsitzen, dieses Nichtstun – ich kann es manchmal nur ganz schwer ertragen. Aus einer Familie stammend, in der man sich immer im Tun verloren hat, in der man Ruhen und Freizeit als Schwäche ausgelegt hat, ist ein Ego entstanden, das mich pausenlos zu Anstrengungen und Arbeit antreibt. Sobald ich meditiere, muss ich ein schlechtes Gewissen überwinden, nichts zu tun, die Verpflichtungen liegen zu lassen.
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Die guten Menschen sind die fleißigen, die allzeit das Bruttosozialprodukt steigern und ich gehöre beim Meditieren zu den Schlechten, den Faulen, den Nichtstuern, den Wirtschaftswachstumshemmern. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die dieses Denken inhaliert hat. Würden sonst so viele Tausend Menschen in unserer Gesellschaft ausbrennen?
Was mache ich, um die Ego-Ängste zu besänftigen? Ich sage mir: Nein, ich bin nicht faul, ich nehme mir nur eine 30minütige Auszeit oder eine Erfrischung, um hinterher wieder effektiver und produktiver zu sein. Es fällt mir so schwer dem SEIN die Anerkennung zu geben!
Warum müssen wir immer etwas TUN und produktiv sein?
Warum haben wir aufgehört z.B. darüber zu verweilen, wie sich der Grashalm rhythmisch mit dem Wind bewegt? Dabei kann uns ein Grashalm eine sehr tiefe Begegnung mit dem eigenen Inneren schenken. Der Grashalm vor mir ist biegsam und gibt sich dem Wind hin und trotzdem erscheint er stark und nahezu unverwüstlich zu sein. Jetzt, da ich schreibe, erfreue ich mich gerade an seinem leichten SEIN. Seine Elastizität lässt ihn eins werden mit der bewegten Luft. Er ist ganz lebendig und wahrscheinlich frägt er nicht nach morgen und macht sich keine Sorgen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er keinen Businessplan und keine Verpflichtungen.
Ganz frei ist er und einverstanden mit allem, seiner Existenz als Grashalm, dem Wind, der Erde, die ihn trägt und nährt, die Sonne, die ihn wachsen lässt und vielleicht auch mit dem Schafsmund, der ihn zermalmen wird.
Und ich bin gerade das Gegenteil von diesem Grashalm: Ich gebe mich nicht hin, möchte die Dinge anders haben, als sie gerade sind. Möchte selbst gerade anders sein, als ich gerade bin: leichter, eloquenter, wortgewandter, erfolgreicher etc. . Wenn ich den Grashalm anblicke, dann bin ich fast neidisch auf seine einfache Existenz. Ich möchte wie er einfach SEIN: frei von Konzepten, Sorgen, Mustern, Wünschen. Einfach völlig präsent und eins mit dem Wind.
"In dem Moment, in dem man etwas seine ganze Aufmerksamkeit schenkt, selbst einem Grashalm, wird es zu einer geheimnisvollen, Ehrfurcht gebietenden, unbeschreiblich großartigen eigenen Welt."
Wie komme ich dahin?
Antwort: In dem ich regelmäßig meditiere.
Nein, ich möchte nicht zurück ins Hamsterrad. Zumal es nicht mal das eigene Hamsterrad ist. Wenn ich arbeite, will ich arbeiten, wenn ich schreibe, will ich schreiben und wenn ich putze, will ich putzen. Ich will immer da sein, wo ich gerade bin und tun, was ich gerade tue. Wenn ich verweile, will ich mit allen Sinnen verweilen.
Weil ich lebe, möchte ich lebendig sein, möchte ich wachsen und lieben.
Im Lieben spüre ich, dass alles miteinander verbunden ist. Das macht mich achtsam.
Deshalb meditiere ich: Weil ich lebendig sein will, weil ich wachsen will, weil ich spüren will und weil ich lieben will.
Goodbye Hamsterrad, hallo Leben!